Einteilung und Diagnostik:
Der vesikoureterorenale Reflux ist ein unphysiologischer Rückfluss von Urin aus der Harnblase über die Harnleiter in das Nierenbecken. Er wird in 5 Grade eingeteilt:
Grad I: Reflux in den Harnleiter, das Nierenbecken wird nicht erreicht.
Grad II: Der Reflux erreicht das Nierenbecken, der Harnleiter und das Nierenbeckenkelchsystem sind jedoch nicht erweitert.
Grad III: Leichte Erweiterung des Harnleiters und des Nierenbeckenkelchsystems.
Grad IV: stärkere Erweiterung des Harnleiters und ggf. Schlängelung, stärkere Erweiterung des Nierenbeckens und Verplumpung der Nierenkelche.
Grad V: starke Erweiterung und Schlängelung des Harnleiters bis zum Abknicken, starke Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems.
Mitverantwortlich bei der Entstehung des vesikoureterorenalen Refluxes ist neben der Lage auch die Form der Harnleitermündung in die Blase. Normalerweise liegt eine schlitzförmige Öffnung vor. Im ungünstigsten Fall besteht eine golflochförmige Harnleiteröffnung. Die Diagnose wird durch eine Röntgenuntersuchung (Miktionscysturethrogramm/ MCU). Über einen in die Blase eingelegten Katheter wird Kontrastmittel in die Blase gefüllt, welches dann bei Reflux den Harnleiter oder auch das Nierenbeckenkelchsystem kontrastiert und damit sichtbar macht.
Endoskopische Therapie:
Mit Hilfe eines Zystoskopes gelangt der Operateur in die Blase und führt über den Arbeitskanal eine Nadel ein. Über diese setzt er ein bis drei Gel-Depots (Hyaluronsäure + Dextranomer). Bei einem Golflochostium wird zunächst das Gel unter die Schleimhaut in den Harnleitertunnel injiziert (siehe Bild 2). Klafft der Harnleiter weit, können auch zwei Depots gesetzt werden (siehe Bild 1, Position 1 und 2). Im Anschluss kann ein weiteres Depot unter die Harnleitermündung gesetzt werden (siehe Bild 1, Position 3). Nach der Prozedur soll die klaffende Harnleiteröffnung geschlossen sein und die Form eines nach unten gezogenen Fischmauls annehmen. Außerdem kommt die Harnleitermündung durch das Depot auf einem „Hügel“ zu liegen. Ist dies der Fall, besteht die beste Chance, den Reflux behoben zu haben. Der Vorteil der endoskopischen Refluxtherapie ist die geringe Invasivität und Belastung für den Patienten. Der stationäre Aufenthalt beträgt nur zwei Tage. Der Nachteil gegenüber der offenen Operation ist die geringere Erfolgsrate. Besonders bei einem hochgradigen Reflux sollte die endoskopische Antirefluxplastik nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden.
Weit klaffende golfloch- bis stadionförmige Harnleitermündung links (Bild1). Konfiguration der Harnleitermündung nach Unterspritzung mit typischer fischmaulförmiger Umformung. Die Einstichlöcher der Nadel in Position 2 und 3 (Bild 2) sind leicht blutig belegt.
Offen operative Therapie
Antirefluxplastik nach Lich-Gregoir
Bei einem einseitigen höhergradigen Reflux oder nach Versagen einer endoskopischen Antirefluxplastik empfehlen wir die offen chirugische Antirefluxplastik nach Lich-Gregoir. Über einen etwa 4 cm langen Schnitt am Unterbauch wird von außen die Blasenmuskulatur eröffnet, der Harnleiter in den entstandenen Tunnel auf die Blasenschleimhaut gelegt und die Muskulatur danach über dem Harnleiter verschlossen. Der Harnleiter liegt nun in einem langen Tunnel innerhalb der Blasenwand zwischen Blasenschleimhaut und –muskulatur. Bei Füllung der Blase wird der Harnleiter zusammengedrückt, somit kann kein Urin mehr aus der Blase in den Harnleiter zurückfließen. Der stationäre Aufenthalt beträgt nach der Operation 4-5 Tage. Die Erfolgsrate liegt bei ca. 98%.
Harnleiterneueinpflanzung nach Cohen
Bei einem beidseitigen höhergradigen Reflux empfehlen wir eine operative Therapie, bei der auch die Blase komplett eröffnet wird. Es erfolgt eine Harnleiterneueinpflanzung in die Blase. An der Blasenhinterwand wird für jeden Harnleiter ein eigener langer Tunnel innerhalb der Blasenwand gebildet, der Harnleiter wird durchgezogen und eingenäht. Während der Heilungsphase muss eine Kunststoffschiene im Harnleiter liegen. Der stationäre Aufenthalt nach Operation beträgt etwa 10-14 Tage.
Ein Sonderfall: Harnleiterneueinpflanzung bei Doppelharnleiter
Bei dem bei Operation 1,5 Jahre alten Jungen bestehen Doppelnieren beidseits. Typischerweise hatte er einen vesikoureterorenalen Reflux in die beiden unteren Anlagen der Doppelnieren beidseits. In dieser Röntgenuntersuchung kommen deshalb die beiden oberen Anlagen nicht zur Darstellung. Der Reflux rechts heilte von alleine aus. Links war eine Operation notwendig.
Röntgen- MCU bei Doppelnieren bds.
Da Doppelharnleiter vor dem Eintritt in die Blase häufig eine gemeinsame Hülle besitzen, müssen sie in der Regel gemeinsam neu in die Blase eingepflanzt werden. Hierfür werden beide zunächst vereinigt. Im Anschluss wird an der Blasenhinterwand ein Tunnel gebildet, die Harnleiter gemeinsam durchgezogen und in der Blase vernäht. Postoperativ zeigte sich kein Reflux mehr.